Teil 23: Die Geschichte der Familie Gross
18.12.2023 - Geschrieben von Sabine Gross
Im Jahr 2008 pflanzte Armin Gross 10 Rebstöcke der Sorte Solaris zusammen mit seinem „Weinpaten“, dem Winzer Gerhard Aldinger (senior). Und einen Rebstock Muskat blau. Er dachte sich, jetzt mit dem Klimawandel und den guten Allgäuer Böden müsste das doch was werden. Stolz und mit dem Schalk seines Vater ausgestattet verfasste er dazu Ende 2010 sogar eine kleine Pressemitteilung, die er auf ein Allgäuer Online-Portal stellte „Deutschlands höchste Weinberg steht im Allgäu“.
Einige Zeit später wurde diese Information von einem findigen Mitarbeiter der „Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau“ gefunden. So sandte diese ein Einschreiben zur „Anhörung wegen einer nicht genehmigten Rebfläche von Weinreben“. Wir wurden im Rahmen des vierseitigen Schreibens aufgefordert, unsere Rebstöcke entweder zu roden oder die bewirtschaftete Fläche, sofern nicht größer als 1 Ar (100 m²) als genehmigungsfreie Hobbyrebanlage auszuweisen.
Sollten wir Erträge in den Umlauf gebracht haben, drohte eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren! Das ängstigte den frisch gebackenen Familienvater doch etwas, aber seine Hoffnung an das Gute behielt die Oberhand.
Nach einem kurzen Schreck bezüglich des Einschreibens, welches sogar eine Androhung einer Freiheitsstrafe enthielt lasen wir das Dokument nochmal in Ruhe. Letztendlich verlangte es, dass wir unsere Rebstöcke entweder roden müssen oder die bewirtschaftete Fläche, sofern nicht größer als 1 Ar (100 m²) als genehmigungsfreie Hobbyrebanlage ausweisen müssen. Verlangt, getan. Armin beantragte eine landwirtschaftliche Betriebssnummer und durfte ab da offiziell den Wein anbauen, aber nach wie vor weder Weintrauben noch Wein in Vertrieb bringen.
Armin Gross, nicht auf den Kopf gefallen, dachte sich nach dem bösen Brief vom Amt bezüglich seines Weines und der offiziellen Genehmigung des Anbaus, dass man aus der Geschichte noch mehr machen musste. Menschen lieben es doch Geschichten über absurde Behörden-Aktionen zu hören. Und so gab er erneut eine Pressemitteilung heraus. Mit unglaublichem Echo. Er war in diversen Radioshows, deutschlandweiten Medien und sogar mehrmals im Fernsehen mit der Geschichte. Alleine dafür hat es sich gelohnt.
Aber natürlich gibt es noch mehr Menschen im Allgäu, die einer guten Idee aufgeschlossen sind. So fand Armin schnell mit Markus Rainalter einen Mitstreiter zum Thema Wein mit dem er die Winzervereinigung Oberallgäu gründete. Diese konnte über die Jahre einige Mitglieder gewinnen, schöne Feste feiern und sogar vier Weinköniginnen krönen. Es wurde einige Anträge verfasst, um das Allgäu auch offiziell zum Weinbaugebiet zu machen, die allesamt scheiterten.
Aufgrund des großen Medienechos hörte auch der Weinkritiker und Herausgeber der Zeitschrift Vinum - Rudi Knoll - von Armins Weinanbau. Und fand die ganze Aktion gleich so lustig und spannend, dass er vorschlug gemeinsam etwas zu machen. Gesagt, getan. Im Jahr 2011 fand am 24. November die erste Allgäuer Weinnacht statt. Neben Armin und Rudi Knoll, welcher moderierte, fanden sich zahlreiche Rotweinpreisgewinner aus Württemberg ein, die ihre Weine und ihre Anekdoten zum 6-Gang Menü mitbrachten. Der Abend war so genussvoll und unterhaltsam, dass er wiederholt wurde, 2022 bereits zum elften mal.
Manchmal ist die Zeit auf unserer Seite. Nach jahrelangen Versuchen, den selbst erstellten Wein auch verkaufen zu dürfen, änderte sich die Gesetzeslage. So durfte man jetzt Immer am Anfang des Jahres für eine ganz kurze Zeit eine bestimmte Fläche beantragen, die dann ggf. genehmigt werden würde. Im ersten Jahr vergaß Armin das einfach (die Zeit ist auch wirklich kurz), im zweiten Jahr (2018) gelang es und es wurden 500 qm + der Verkauf des Weines genehmigt. Die Schattenseite: Was genehmigt wird, muss auch gepflanzt werden. Da lag Arbeit vor uns.
Seit April 2018 dürfen wir 500 qm Weinreben bewirtschaften und den Wein in Vertrieb bringen. Dazu mussten aber erstmal neue Terrassen im Hang mit Bagger angelegt werden und im Mai 2019 400 weitere qm Wein gepflanzt werden. Wir haben uns das sehr schön vorgestellt, die Bilder allein, Rebpflanzungen im Sonnenschein. Das Wetter war nicht auf unserer Seite, aber wacker haben die freiwilligen Helfer, unter anderem die Weinkönigin Lisa I im Dirndl und der Weinkritiker Rudi Knoll bei strömendem Regen Weinrebe um Weinrebe gepflanzt.